Gerade einmal eine halbe Stunde fahren wir vom Leipziger Hauptbahnhof nach Bad Lausick zum Kur- & Freizeitbad Riff. Ich freue mich auf den Besuch, denn Bäder sind die Sehnsuchtsorte meiner Kindheit. Eine gefühlte Ewigkeit konnte ich keinen Fuß mehr in ein Schwimmbad setzen. Der Geruch von Chlorwasser weckt in mir das Bedürfnis nach Pommes mit Ketchup und unerlaubtem Springen vom Beckenrand. Als leidenschaftlicher Saunagänger möchte ich mich vor allem von der Saunalandschaft überzeugen. Am Bahnhof angekommen führt uns ein kurzer Spaziergang zum Gelände des Riffs. Ein Blick über den Zaun, auf das gläserne Pyramidendach und die Rutschen erzeugt in mir bereits Vorfreude. Große Buchstaben verraten uns: nach dieser kurzen Reise sind wir bereits angekommen. Hier lernen wir ein Team kennen, dass sich trotz der misslichen Lage gemeinsam gegen die Folgen der Einschränkungen stemmt und sich der Beliebtheit des Riffs gewiss ist. Was auch bedeutet, dass es für die Zeit der Wiedereröffnung wieder Nachwuchs sucht.
Annett Koza begrüßt uns im Restaurant. Mit ihr sind ihre Kollegen, der Koch Daniel Redler und Betriebsleiter Rene Wünscher. Unter ihrer Führung leiten sie die Bereiche, in denen Auszubildende gesucht werden: die Gastronomie und den Badebetrieb. In den nächsten Stunden gibt uns das Team eine umfangreiche und abwechslungsreiche Führung. Doch vorerst erfahren wir etwas über den Alltag im Riff.
Seit über 25 Jahren war es dort keinen Tag langweilig, berichtet Annett Koza, aber auf jeden Fall erholend. Doch mit dem Verlauf der globalen Pandemie war auch das Riff gezwungen, seine Tore für Besucher:innen zu schließen. Noch immer wirkt der Badebetrieb wie ausgestorben. Annett Koza arbeitet seit 20 Jahren im Riff. Sie liebt es im 25-Meter-Becken Bahnen zu ziehen, die Saunen zu nutzen und weiß: die Zufriedenheit der Gäste beginnt bei der Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter:innen. Denn der Alltag der Mitarbeitenden im Riff und dessen Besucher:innen sind eng miteinander verwoben. Und schließlich steht die Zufriedenheit an einem Wohlfühlort ganz oben auf der Prioritätenliste. Deswegen kümmert sie sich neben dem Organisatorischen und der Sicherheit insbesondere um die Nöte und Sorgen ihres Umfelds. Ihr ausgeschriebenes Ziel ist es, diese große Familie stetig bei Laune zu halten.
Mit 60 Festangestellten und 20 Aushilfskräften (vor dem Ausbruch der Pandemie waren es sogar 100) können wir hier also getrost von einer glücklichen Großfamilie sprechen. Eine Großfamilie, die gerade Nachwuchs sucht. Glücklicherweise kann das Riff auf seine Qualität als Ausbildungsbetrieb vertrauen. Finden sich erst einmal Interessierte, so bleiben diese meistens auch. Etwa die Hälfte der Belegschaft besteht aus eigenen ehemaligen Auszubildenden. Zufriedenheitsmanagement sei Dank.
Hier ist jeder Tag anders. "Es gibt nichts, was es nicht geben kann", sagt Annett Koza. Zur Zeit muss sich das Team der bisher größten Herausforderung stellen. Bis zum 16.03.2020 hat das Riff seit seinem 25 jährigen Bestehen keinen einzigen Tag geschlossen. Jetzt hält es sich mit Erspartem über Wasser, das eigentlich für die Instandhaltung genutzt werden sollte. Wie so oft treibt dieses Thema den Beteiligten Sorgenfalten ins Gesicht. Annett Koza betont, wie dankbar sie für ihre loyalen Stammgäste ist. Nach einem Wertkartenprinzip können Optionen auf Besuche erworben werden, die erst in der Zukunft stattfinden. Das hilft zumindest kurzfristig. Selten lassen sich Kunden diese Wertkarten auszahlen, was wohl für die Beliebtheit des Unternehmens spricht.
Trotz allem wird es nach der Krise wohl nicht wie vor der Krise sein. Das Riff wird hoffentlich bald seine Tore für Besucher:innen öffnen können. Wenn es soweit ist, wird das Team gut aufgestellt sein, da ist sich die Geschäftsführerin sicher. Dann wird es genug zu tun geben. Annett Koza wird nachdenklich, wenn sie jetzt schon an die Kindern denkt, die während der Pandemie den Schwimmunterricht verpasst haben und denen es jetzt an Erfahrung im tiefen Gewässer fehlt. Sie alle haben Nachholbedarf.
Der Koch Daniel Redler und Betriebsleiter Rene Wünscher philosophieren über die perfekten Azubis. Zuverlässig sollten sie sein, neugierig und am Menschen interessiert. Zwar gesteht Daniel Redler, dass sie nicht die glamouröse Welt der Fernsehkochs erwarten können, nichtsdestotrotz aber dennoch liebt er seine Arbeit als Küchenchef und kann einen abwechslungsreichen und anspruchsvollen Ausbildungsberuf anbieten. In einem jungen Team mit 20 Leuten muss nicht nur ein Restaurant mit etwa 100 Essen täglich bewirtschaftet werden, sondern auch große Events organisiert werden. Ihm ist wichtig, dass der Nachwuchs Verantwortung übernimmt und Lust hat sich auszuprobieren. Egal, ob bei der Speisekarte oder bevorstehende Events, alle dürfen mitbestimmen.
Rene Wünscher weiß genau, was seine Azubis brauchen. Der Betriebsleiter hat sich selbst vom Azubi in seine jetzige Position im Riff hochgearbeitet. Seine Passion ist die Sauna und er ist stolz auf die familiäre Atmosphäre seines Teams. Schlecht geht es seinen Zöglingen keinesfalls, scherzt er. Prinzipiell geht es im Job um das Engagement und genau das gibt er an seine Nachfolger:innen weiter.
Etwa an Tom Müller, der Ausbildungsbeauftragte des Riffs. Der 24-Jährige steht jederzeit für die Fragen der Azubis zur Verfügung und organisiert abwechslungsreiche Trainings. Nebenbei inszeniert er mit Gerüchen, speziellen Wedeltechniken und Musik eine eigene Sauna-Show. Dabei genießt er jede kreative Freiheit und bietet Abwechslung zum alltäglichen Wellnessprogramm. Gelernt hat er all das ebenfalls im Riff, was leider gerade nicht stattfinden kann. Doch am meisten vermisse er in der Corona-Zeit den Kontakt zu den Gästen. Dieser ist besonders spannend. Denn, auch wenn potenzielle Bewerber:innen ein Gefühl für Technik, Mathe und eine Affinität für Sport mitbringen sollten, ist insbesondere die Arbeit mit den Gästen besonders erfüllend und macht diesen Beruf aus. Darin sind sich hier anscheinend alle einig.
Das schwört auch Maria aus dem ersten Ausbildungsjahr zur Fachangestellten der Badebetriebe. Darauf und auf die Rutschen und das Schwimmbecken, das sie uns mit einer kleinen Schwimmeinheit demonstriert. Nach ihrem Schülerpraktikum im Unternehmen war sie so begeistert, dass sie bis zu ihrer Bewerbung noch zwei weitere Praktika absolvierte. Zentral in ihrer Ausbildung sind die Kundenbetreuung und der Sport. Weitere Kenntnisse erlernt sie in ihrer Schule in Chemnitz. Der Unterricht wird dort in Blöcken von zwei bis drei Wochen angeboten.
Das der Kontakt mit den Gästen höchste Priorität genießt, erfahren wir am eigenen Leib. Wir genießen eine umfassende Führung durch die Badeanstalt und lernen ein aufmerksames und herzliches Team kennen. Doch davon sollten sich Interessierte selbst vergewissern und Kontakt aufnehmen, telefonisch, per Mail, über die Homepage www.freizeitbad-riff.de. oder über uns. Wenn es wieder möglich ist, werden wir auf jeden Fall wiederkommen. Nur dieses Mal als Badegäste.
Text: Christoph Papendorf
Foto: Pauline Krüger