Ein Phönix in Thallwitz

Der "Reußische Hof" im Neuaufbau

 

Im April 2019 hat die Gemeinde Thallwitz, im Leipziger Landkreis, eine Tragödie ereilt, die noch immer tiefe Trauer der Bewohner:innen hervorruft. Durch den Brand im Gasthof „Zum Reußischen Hof“ ist der damalige Besitzer Steffen Martin tödlich verunglückt. Während dieser Verlust unumkehrbar ist, besteht nun Hoffnung für das Lebenswerk des verstorbenen Betreibers. Thomas Genedl aus Nischwitz hat sich mit der Thallwitzer Gemeindeverwaltung zusammengetan, um den “Reußischen Hof” zu restaurieren und wieder betreiben zu können. Die Vorfreude der Bewohner:innen ist genauso groß wie das Vorhaben an sich – nichtsdestotrotz bleibt Thomas Genedl mitsamt seiner Familie und Mitarbeiter voller Tatendrang. Bei unserem Besuch am “Reußischen Hof” durften wir den aktuellen Stand begutachten und viele Fragen zu den Zukunftsplänen des Projekts stellen.

Auf dem Vorplatz des gastronomischen Objekts werden wir von einem großen LKW und Baulärm begrüßt. Die Arbeiten sind im vollen Gange – und wir mittendrin. Thomas Genedl, seine Tochter und ihr Freund führen uns durch die Baustelle. Der große Festsaal, mit prunkvollen Kronleuchter, hinterlässt trotz Staub und aufgerissenen Fußböden erste Bilder vor dem geistigen Auge: Ein volles Haus, flitzendes Personal, sprudelndes Bier aus den Hähnen und tosendes Gelächter im Hintergrund ist der Pech zum Schwefel dieses Gebäudes. Im oberen Stockwerk treffen wir auf zahlreiche Handwerker, die sich dem Innenausbau der Gästezimmer und Ferienwohnungen widmen. Dass hier, außer der Außenmauern nichts mehr stand, ist kaum zu glauben. So gut es geht, versucht das Bauteam den historischen Charme zu erhalten und das Gebäude gleichzeitig auf den neuesten Stand zu modernisieren.

Ein Erholungsort mit Tradition

Mit seiner geschichtsträchtigen Vergangenheit und durch den guten Ruf des “Reußischen Hof”, hat sich das Objekt zu einer festen Größe in der Gemeinde etabliert. Zwar hat Thomas Genedl, genau wie seine Familie, schon seit Jahrzehnten Erfahrung in der Gastronomie gesammelt, ein verfallenes Objekt neu zu beleben, war jedoch nie eine konkrete Idee. Nachdem für die Gemeinde Thallwitz feststand, dass der “Reußische Hof” restauriert werden soll, entschieden sie sich auf Empfehlung der Familie von Steffen Martin für Thomas Genedl und seine Familie – jemand aus der eigenen Gemeinde erkenne den Wert des Projektes einfach am besten. Und plötzlich ging alles sehr schnell. Nun ist die Baufertigstellung für Weihnachten und die offizielle Eröffnung für März 2021 geplant - ob das funktioniert, hängt noch von vielen Faktoren und Fehlerquellen ab. Doch bei Familie Genedl ist das Glas der Bauplanung halb voll. Sie halten an ihrem „roten Faden“ fest.

"Es ist nichts groß anders, aber alles neu"

Thomas Genedl möchte an dem erfolgreichen Konzept des Vorbesitzers  anknüpfen, trotzdem muss noch vieles neu gedacht und geplant werden. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde finden wöchentlich Meetings statt, in denen weitere Baumaßnahmen, sowie Einrichtungs- und Konzeptideen entwickelt werden. Bisher steht fest: traditionelle Küche, guter Service, Wohlfühl-Ambiente und die Zimmervermietung für touristische Zwecke nutzen. Dies kommt auch der Gemeinde Thallwitz zugute. Regionales Denken ist der Leitfaden für das gesamte Konzept. Thomas Genedl war erfreut und erstaunt zugleich, wie viel er regional beziehen kann – das fängt bei Lebensmitteln und Getränken an und hört bei Arbeitskräften und Baustoffen noch lange nicht auf. Diese solide Grundlage möchte er nutzen. Und die Region? Findet das großartig. Schon jetzt werden die Genedls von zahlreichen Buchungsanfragen ereilt. Jedoch machen zu viele, teilweise unbestimmbare, Parameter einen offiziellen Termin noch schwer planbar. Erst im November bis Dezember ist es absehbar, ob der Startschuss zu Ostern realistisch bleibt. 

Glücklicherweise hatte die Hochphase der Corona-Krise keinen großen Einfluss auf die Baumaßnahmen. Jedoch sind besonders die größeren Projekte wie Einbau der Küche, dem Kühlhaus und der Lüftungsanlage gerne mal Zeitfresser, wie Genedl bemerkt, und verhindern eine fristgerechte Planbarkeit. Außerdem sieht er die größte Hürde in der Einlaufphase, die gebraucht wird, um beispielsweise die Service-Wege festzulegen und die Zusammenarbeit in den jeweiligen Teams zu perfektionieren. Darüber hinaus braucht es genau dafür das dringlich gesuchte Personal – welches wiederum nur eingestellt werden kann, sobald der Eröffnungstermin feststeht. Ein kleiner Teufelskreis, von dem sich Familie Genedl jedoch nicht unterkriegen lässt. Sie wollen im Spätherbst mit der aktiven Suche ihres Traum-Teams beginnen.

Motivation statt Lebenslauf

Bei potentiellen Bewerber:innen zählen hohe Motivation und das Interesse an einer ausgewogenen Zusammenarbeit mehr als reine Erfahrung. In den Bereichen Küche, Service und weitere Tätigkeiten wie Zimmer- und Facility Management freuen sie sich über engagierte Leute, die Bock auf den Job und keine Scheu vor dem manchmal harten Business der Gastronomie haben. Im Gegenzug wissen die Genedls aber auch, dass eine rein finanzielle Entlohnung nicht mehr das einzige Kriterium ist, um ein junges und dynamisches Personal glücklich zu machen. Er betont das familiäre und freundschaftliche Umfeld, in dem Herzensangelegenheiten angesprochen werden können und aufeinander Acht gegeben wird. Das gilt insbesondere auch für Mitarbeiter:innen, die neben ihrer Arbeit auch Nachwuchs und Familie mitorganisieren müssen. Gemeinsame Team-Events und Ausflüge sollen die Gastro-Crew zusätzlich stärken und aus Kolleg:innen, Freund:innen machen. Außerdem bietet die Phase des Wiederaufbaus einen ganz besonderen, aber auch herausfordernden Vorteil: Vieles muss im “Reußischen Hof” neu bedacht und geplant werden. Mitarbeiter:innen können hier also auch noch viel Eigeninitiative und Ideen einbringen sowie Verantwortung übernehmen. So wollen sie auch Ausbildungsplätze anbieten, in denen junge Talente und Quereinsteiger:innen die Arbeitsprozesse mitgestalten können. Und das Extra-Topping: Im oberen Stockwerk des Gebäudes wird eine Mitarbeiter:innenwohnung ausgebaut, die bei Bedarf genutzt werden kann. Der wohl kürzeste Arbeitsweg der Welt, zahlt sich im Gastro-Gewerbe aus: Knallt die Sonne, füllt sich die Terrasse im Minutentakt – ein schneller Einsatz ist hier also ein besonders großer Pluspunkt in der Bewerbung. Wie Genedl aus Erfahrung weiß, lässt es sich in naher Umgebung aber auch sehr gut leben.

Zwischen Stadt und Natur

Thomas Genedl ist selbst Ur-Wurzener, lebt unweit davon in Nischwitz zwischen Wurzen und Eilenburg und kann sich keinen anderen Ort vorstellen, um Zuhause zu sein. Er lebt nach dem Credo: wenn dir etwas nicht gefällt oder fehlt, dann versuche dir deine Umgebung selbst neu zu gestalten. Und bis dahin lässt es sich auch mit einer malerischen Natur, dem historischen Ortskern und dem kurzen Weg nach Leipzig, bestens aushalten. Die Gemeinde Thallwitz hat besonders für junge Familien und Geschichts-Begeisterte viel zu bieten. Während sich Eltern über erschwingliche Mieten freuen, kann sich die jüngere Generation in den Parks, auf Spielplätzen und im Freibad austoben. Auf dem geologischen Entdeckerpfad sowie dem Mulderadweg lässt sich ein fauler Sonntag ganz spontan durch ausgewogenes Radfahren und Wandern auffrischen. Mit Ausflugszielen kann Thallwitz und Umgebung ordentlich protzen - und im “Reußischen Hof” lässt sich so ein erlebnisreicher Tag schließlich perfekt ausklingen. Verbesserungswünsche richtet Genedl eher an bürokratische Barrieren: Diese hat er vor allem durch die Bauvorhaben oft zu spüren bekommen. Sein Blick in die Zukunft scheint aber noch immer gelassen, die Freude am Projekt ist zu groß für Pessimismus.

Die Zukunft schmeckt köstlich

Mit der geplanten Eröffnung fällt auch gleichzeitig der Startschuss für die einjährige Einlaufphase – alle relevanten Termine, wie Feiertage und Großveranstaltungen müssen durchlaufen werden, um die Arbeitsprozesse anschließend optimieren zu können. Auch die Crew soll sich festigen und einen starken Teamgeist entwickeln. Sobald alle Räder ineinandergreifen, ist es Thomas Genedls größtes Ziel, das Zepter an die jüngere Generation weiterzugeben und den “Reußischen Hof” lediglich als Ort des Genießens aufzusuchen. Ein bisschen Arbeit steht dafür noch an. Währenddessen freuen wir uns schon auf den zweiten Besuch im “Reußischen Hof” – Kamera und Interviewfragen tauschen wir dann gegen gefüllte Teller und Gläser ein. 

 

Du bist neugierig auf die Arbeit in der Gastronomie und insbesondere im “Reußischen Hof” geworden? 

Gerne kannst du dich bei uns oder direkt bei Genedl Catering in Wurzen (03425/812226, info@catering-wurzen.de) melden.

 

Text & Interview: Laura Klar

Fotos: Christin Pomplitz